Als die Menschen unter Gleichen waren 27. Juli 2021 – Gepostet in: Aktuelles, Verlagsnews – Schlagworte: , , , ,

Neuveröffentlichung zur menschlichen Frühgeschichte

„Der Mensch ist zu schlecht für den Sozialismus!“ Dieses Argument kennen die meisten Sozialist*innen aus Diskussionen. Meistens wird es vorgebracht, wenn alle anderen Argumente ausgegangen sind. Der Manifest-Verlag veröffentlicht nun ein Buch, dessen Quintessenz eine andere ist: Der Mensch kann in Freiheit und Gleichheit leben – und hat es lange Phasen seiner Existenz getan.

Von Sascha Staničić

„Frei & Gleich“ heißt das Buch des Dresdner Lehrers und Sol-Mitglieds Steve Hollasky, von dem in diesem Jahr im Manifest-Verlag schon ein Buch über den Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion im Jahr 1941 („Der Fall Barbarossa“) erschienen ist und eine Biographie über den russischen Anarchisten Nestor Machno in Planung ist. 

Urkommunismus?

Der Autor geht der Frage nach, ob es das, was Marxist*innen den Urkommunismus nennen, gab – eine Gesellschaftsform in der Frühgeschichte der Menschheit, die keine Klassen, keine patriarchalischen Verhältnisse, keinen Staat kannte. Herausgekommen ist ein Buch, dass nicht nur lehrreich, sondern auch spannend ist. Hollasky verarbeitet Fachliteratur und zahlreiche Gespräche mit Archäolog*innen und Fachleuten und beschreibt, weshalb die archäologischen Erkenntnisse genau diesen Schluss zulassen: der Mensch ist nicht von Natur aus „schlecht“. Unterdrückung, das Führen von Kriegen, Selbstsucht, die Unterdrückung der Frau liegen nicht in seiner DNA begründet, sondern in den gesellschaftlichen Verhältnissen, die sich auf Basis der Entwicklung der Produktionsverhältnisse über tausende Jahre entwickelt haben. 

Dabei nimmt uns der Autor mit auf eine Reise durch die Frühgeschichte der Menschheit, stellt die unterschiedlichen Menschen- und Vormenschenarten dar, erklärt die Rolle der Arbeit bei der Menschwerdung des Affen und beschreibt detailliert Gesellschaften, die keine Klassen und keine Ungleichheit kannten. 

Geschlechterverhältnisse

Hollasky erklärt, weshalb die gängige Annahme, die Männer der menschlichen Frühgeschichte seien die Jäger und Kämpfer, die Frauen die Sammlerinnen und Kinderaufseherinnen gewesen, dem Stand der Geschichtswissenschaft nicht standhält. Frauen waren auch Jägerinnen, Kriegerinnen und sogar hochrangige Wikingerinnen. Der Autor schlussfolgert: „Im Paläolithikum und Neolithikum, auch das scheint sich mehr und mehr wissenschaftlich belegen zu lassen, war das Zusammenleben von Frauen und Männern von Gleichberechtigung geprägt gewesen zu sein. Das „natürliche Verhältnis der Geschlechter“ ist weit von dem entfernt, was Björn Höcke sich darunter vorstellt. Die Frau, die mit einem Bogen auf dem Rücken und Pfeilen in der Hand auf Beute lauerte, die zusammen mit anderen Frauen und Männern Tieren hinterher setzte, gehört wohl  genauso zu dieser Realität wie die Ehe in Gruppen oder das Zusammenleben auf Zeit. Wer sich auf das Ideal der bürgerlichen Ehe oder auf die Frau als sanftmütiges und hingebungsvolles Wesen, dessen Fokus auf der Erziehung der Kinder und der Haushalt liegt, berufen will, tut gut daran angebliche Belege für diese Art von sexistischem Unsinn nicht in Paläolithikum, Mesolithikum oder Neolithikum zu suchen.“

Catal Höyük

In „Frei & Gleich“ werden unterschiedliche Gesellschaften der menschlichen Frühgeschichte dargestellt. Von den Liekedeeler*innen, die nomadisch lebten über die „Bandkeramiker*innen und die egalitäre Gesellschaft Skara Braes im heutigen England bis zur Tripolje-Kultur Majdanetskes – alles Gesellschaften, die keine Klassenunterschiede und staatliche Repressionsorgane kannten. Von besonderer Faszination ist in diesem Zusammenhang Catal Höyük im heutigen Anatolien. Nicht nur weil die reichhaltigen archäologischen Funde ein anschauliches Bild des Lebens der Zehntausenden in dieser neolithischen Großsiedlung lebenden Menschen ermöglichen, sondern weil es gute Gründe für die Annahme gibt, dass die egalitäre Gesellschaft Catal Höyüks Ergebnis eines revolutionären Aufstands gegen die Klassenunterdrückung, die vor ihrem Bestehen bestand, war. „Neolithische Kommunist*innen“ nennt Hollasky dementsprechend die Menschen Catal Höyüks. 

Bedeutung

Das Fazit Hollaskys ist eindeutig: Ja, es gab ihn, den Urkommunismus! Das ist jedoch nicht nur eine interessante historische Erkenntnis. Sie sagt uns etwas über die so oft diskutierte „Natur des Menschen“ und beantwortet letztlich auch die Eingangsfrage, ob der Mensch zu schlecht für den Sozialismus sei. Denn wenn die Menschen in ihrer Frühgeschichte, auf primitivstem Kultur- und Produktivitätsniveau, frei und gleich leben konnte, gibt es keinen Grund, weshalb dies unter heutigen Bedingungen nicht möglich sein sollte. Die Macht- und Eigentumsverhältnisse müssten dazu jedoch verändert werden. Die neolithischen Kommunist*innen zeigten auch: sie können verändert werden!

Das Buch könnt Ihr für 11,90 Euro hier bestellen: https://manifest-buecher.de/produkt/frei-gleich/

Das eBook gibt es für 8,99 Euro hier: https://manifest-buecher.de/produkt/frei-gleich-ebook/