Additional Information
Weight | 0,520 kg |
---|
€24,90
Nicht vorrätig
Band VII der Reihe »Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus«
Mit einem Vorwort von Wolfgang Wippermann
256 Seiten, gebunden, mit Abbildungen
2., korrigierte und erweiterte Auflage 2018
ISBN 978-3-320-02354-6
Karl Dietz Verlag Berlin GmbH 2008
Richard Louis Müller (1880-1943) war als Kopf der illegal agierenden „Revolutionären Obleute“ wesentlich an der Vorbereitung des 9. November 1918 beteiligt. Schon die großen Berliner Massenstreiks der Jahre 1916 bis 1918 hatte er organisiert. Im Deutschen Metallarbeiter-Verband, seinerzeit der größten Gewerkschaft der Welt, galt Richard Müller als der Anführer des linken Flügels.
In der Revolutionsregierung von 1918 war Müller Vorsitzender des „Vollzugsrates der Arbeiter- und Soldatenräte“, also des ranghöchsten Räteorgans. Formal war Richard Müller damit das Staatsoberhaupt.
Müllers Einfluß in Berlin überstieg 1918 bei weitem den von Karl Liebknecht, der über Müller scharf fluchen konnte, wenn sich die Spartakusgruppe wieder einmal in eine Nebenrolle verwiesen sah.
Das Kräfteverhältnis zwischen den Revolutionären Obleuten und der Nach-Liebknecht-KPD sollte sich freilich drehen: Unabhängiger Sozialismus und Rätesystem, jene Prinzipien, die Richard Müller vertrat, wurden zwischen den Mühlsteinen von Sozialdemokratie und Marxismus-Leninismus zermahlen.
Trotzdem beeinflußt Müller bis heute das Denken der Historiker. Seine dreibändige „Geschichte der Novemberrevolution“ (zuletzt erschienen 2017) bildet die wichtigste zeitgenössische Revolutionsdarstellung aus marxistischer Sicht.
Für die Neuauflage wurde der Band aktualisiert und um einen umfangreichen Briefwechsel Richard Müllers mit der Kommunistischen Internationale in Moskau ergänzt.
Vorwort zur zweiten Auflage 2018
Zehn Jahre nach dem Erscheinen dieser Biographie ist Richard Müller nicht mehr der »vergessene Revolutionär«, als den ich ihn in der Einleitung zur Erstausgabe vorstellte. Allein die Tatsache einer Neuauflage zeugt von gewissem Interesse, und auch Müllers Schriften werden wieder gelesen: Seine Trilogie zur Geschichte der Novemberrevolution wurde ab 2011 gleich mehrfach neu aufgelegt; Auszüge aus seinen Reden und Schriften zur Rätetheorie wurden von Gabriel Kuhn ins Englische übersetzt. Auch diese Biographie liegt seit 2014 in englischer Übersetzung vor, eine französische Ausgabe ist angedacht. Durch Übersetzungen und Neuauflagen ist nicht nur die Person Müller über den deutschen Sprachraum hinaus ins Bewußtsein gerückt. Es bekommen auch die »Revolutionären Obleute« und die gewerkschaftliche Basis der Arbeiterbewegung langsam jenen Platz in der Entstehungsgeschichte der Weimarer Republik, den ihnen die Historiographie des Kalten Krieges bis auf wenige Ausnahmen verwehrte.
Die englische Übersetzung dieser Biographie gab mir zudem Gelegenheit, einen glücklichen Archivfund aus dem Jahr 2012 erstmals zugänglich zu machen: einen umfangreichen Briefwechsel Richard Müllers mit der Kommunistischen Internationale in Moskau. Müller kommentiert darin seine Sicht auf die Ereignisse des »Deutschen Oktober« von 1923 – ein gescheiterter Aufstand, der in Hamburg zahlreiche Todesopfer forderte und das zeitweise Verbot der KPD zur Folge hatte. Müller kritisierte das Unternehmen als chaotisch und unvorbereitet, ähnlich wie er sich auch 1919 und 1921 gegen Aufstandsversuche linker Minderheiten aussprach. Die bisher völlig unbekannte Korrespondenz wirft somit Licht in Müllers letzte Lebensjahre und sein schwieriges Verhältnis zur KPD, die er, anders als bisher vermutet, nicht 1922 verließ, sondern erst um 1925. Bereits 1921 hatte Müller seinen Posten als Leiter der Reichsgewerkschaftszentrale der KPD verloren. Vier Jahre rang er danach mit seiner Identität als Kommunist, bevor er sich im Sommer 1925 erstmals als »parteilos« bezeichnete. Allein dies eine neuer Erkenntnis. Endlich greifbar wird in den neuen Briefen auch Richard Müllers Rollenwandel vom Akteur revolutionärer Ereignisse zum Historiker und Chronisten um 1923/1924, ebenso auch sein Wechsel zur kleinen Linksgewerkschaft DIV um 1928. Letzterer war nur denkbar, weil Müller 1921 mit dem Ausschluß aus dem Deutschen Metallarbeiterverband seine gewerkschaftliche Heimat verlor – ein bisher unbekannter Vorgang, der Müller tief verbitterte.
Der Briefwechsel war Teil einer Personalakte Müllers, die ich während eines Forschungsaufenthaltes im Sommer 2012 im Russischen Staatsarchiv für Sozio-politische Geschichte (RGASPI) in Moskau entdeckte. Während die Dokumente in der englischen Ausgabe ausschnittsweise im Text zitiert sind, möchte ich die Korrespondenz hier erstmals in voller Länge wiedergeben – sie erscheint als Anhang der Darstellung.
Im Gegenzug habe ich darauf verzichtet, die Darstellung selbst komplett zu überarbeiten. Nur bei Druckfehlern und da, wo aufgrund der neuen Quellen bisherige Aussagen korrigiert werden mußten, habe ich behutsam eingegriffen. Auch auf die Einarbeitung neuerer Literatur habe ich verzichtet, obwohl seit 2008 einige wichtige Werke erschienen sind: Axel Weipert warf 2016 Licht auf die Berliner Rätebewegung in ihrer Spätphase 1919/1920, als Müller und andere auf eine »Zweite Revolution« hofften. Dies ist Zeitabschnitt, mit dem sich auch Dietmar Lange in seiner Darstellung des Märzstreiks von 1919. Während Weipert das Fortleben der Räte 1919/20 darstellt, untersuchte Lange mit »Massenstreik und Schießbefehl«, den Einsatz paramilitärischer Gewalt gegen die Märzstreiks 1919 in Berlin. Auch der irische Historiker Mark Jones griff diese Ereignisse jüngst auf und ordnete sie in seinem Werk »Am Anfang war Gewalt« ein in eine Neuinterpretation der Gründung der Weimarer Republik. Gewalt erscheint ihm nicht als Bürgerkrieg von links, sondern als Staatsgründungsgewalt, denn kaum eine Staatsgründung kam je ohne Gewaltakte aus. Obwohl Jones die These eines »Bürgerkrieges« aufgrund der vielen fälschlich als »Spartakisten« bezeichneten zivilen Opfer ablehnt, greift seine Argumentation nicht nur die zeitgenössische Deutung von Emil Julius Gumbel, sondern auch Motive von Richard Müller auf. In seinem Band »Der Bürgerkrieg in Deutschland« hatte dieser nämlich schon 1925 auf die Gewalt der Freikorps als Gründungsmoment der Weimarer Republik hingewiesen und sich mit dem Hinweis auf zivile Opfer der Dichotomie »Spartakisten« vs. »Ordnungsmacht« verweigert, wie sie in der Weimarer Republik und später in der Historiographie des Kalten Krieges immer wieder vorgebracht wurde.
Die genannten Veröffentlichungen zeigen ebenso wie andere, hier aufgrund des begrenzten Platzes nicht genannte Titel, daß die Novemberrevolution wieder ein Thema ist. Sie ist am Vorabend ihres 100. Jahrestages nicht mehr eine »Vergessene Revolution«, wie Alexander Gallas noch 2010 beklagte. Die Deutsche Revolution von 1918/1919 ist vielmehr ein Stück Zeitgeschichte, das in der Geschichtswissenschaft und im politischen Leben neu diskutiert wird. Dazu soll auch diese Neuauflage ein Beitrag sein.
Sie wurde möglich durch den Karl Dietz Verlag, dem an dieser Stelle gedankt sei. Dank geht auch an jene, die mir 2012 die Recherchen in Moskau ermöglichten: die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RGASPI Moskau – und Herbert Mißlitz. Ich traf Herbert 2012 im RGASPI, er half mir spontan und solidarisch mit kyrillischen Formularen und russischen Archivalien, er zeigte mir nach Feierabend sein Moskau. Herbert starb im Dezember 2016, unerwartet und viel zu früh. Die Erinnerung an ihn lebt weiter.
Ralf Hoffrogge
Inhalt:
€24,90
Weight | 0,520 kg |
---|
Bewertungen
Es gibt noch keine Bewertungen.